(Forum 75/23)


Wieder einmal war es soweit. Wir schreiben den 23.September 1999. Aus allen Ecken Deutschlands machen sich, wie jedes Jahr und fast gleichzeitig, 10 Männer auf den Weg um ein kleines Dorf irgendwo in der Republik heimzusuchen.






Es hatte alles ganz harmlos mit der Zusammenkunft einiger Schulfreundinnen und -freunde begonnen, die, brav wie sie sind, ihre Eltern zu Weihnachten besuchen, aber schon am 23. Dezember anreisen. Was tun an diesem Vorabend der wunderschönsten Tage des Jahres? „Was machen eigentlich die anderen?“ muss sich wohl jemand gedacht haben und so war ein Treffen geboren, dass schon gut 2 Jahrzehnte anhält und traditionell in der Waldquelle bei Horst stattfindet. Einem Teil der heutigen Forumsteilnehmer war dies nicht genug. Sie mussten und wollten sich schon vorher bei „Schmidts“, den Eltern des Begründers unseres Forums, einfinden und bei Grünkohl und Jever vorwegfeiern. Meist waren das dann auch diejenigen, die als letzte die Waldquelle verließen, um in der Stadt (gemeint ist hier Hamburg-Harburg) noch einen Scheidebecher zu sich zu nehmen. Nun nach vielen Jahren des ungezügelten und unkontrollierten Verzehrs von Alkohol war es soweit: Einigen Herren der Scheidebecherfraktion wurde es langweilig. Immer nur reden und lachen, rauchen und saufen. Da muss es doch noch mehr geben, was man miteinander anfangen könnte.
Nach dem hastigen Genuss von zwei Flaschen Apfelkorn kam jemand, ungewohnt entschlussfreudig, auf die Idee, das Ganze nicht nur kontrolliert (gezügelt) stattfinden zu lassen, sondern durch Vorträge aus den unterschiedlichsten Wissensgebieten zu ergänzen. Vielleicht ein wenig erstaunt über die schnelle Lösung, wahrscheinlich aber eher zu faul, der Theorie Taten folgen zu lassen, passierte erst einmal nix.
Die Jahre vergingen und eins ums andere Mal fand das Waldquellentreffen mit den üblichen Abläufen statt. Doch eines Tages nahm sich Herr Schmidt (der Sohn) ein Herz und lud 1989 knapp ein Dutzend Personen zu einem ersten Forum auf der Wasserkuppe in der Rhön ein, um dort von Freitag bis Sonntag kontrolliert und gezügelt zu trinken, aber auch etwas zu lernen. Die Resonanz war äußerst positiv. So positiv, dass noch heute alle Teilnehmer des ersten Forums dabei sind, obwohl die Themenvielfalt doch einiges an Konzentration abverlangt: So gab es Vorträge, allein nur im ersten Forum, über

„Kauf oder Leasing eines KFZ“
„Industriell bedingte Umweltprobleme ...“
„Kunst und Industriesponsoring“
„Formbarkeit und Evaluation von Nachrichten ...“
„Technische Gase“ und
„Entwicklungstendenzen im PC-Bereich“.


Man sieht also, das Forum wurde ernst genommen, auch wenn der Alkoholkonsum nach wie vor unkontrolliert ablief. Er wurde zumindest intellektuell ergänzt.







Um in etwa die Geschehnisse auf diesen Treffen vorstellbar zu machen, lesen Sie, was u.a. am 23. September 1999, dem 11. Forum, geschah:

G epäckaufbewahrung Hannover Hauptbahnhof. Der Bahnhof ist ein Labyrinth aus Menschen und Maschinen. Er wird gerade Jahr 2000- und expofähig gemacht. Kein Wunder also, daß ein Teilnehmer des Forums, dessen Name ungenannt bleiben muss, so wie auch andere, die in dieser oder anderen Geschichten vorkommen werden, etwas verwirrt mit einer Chipkarte in der Hand versucht, seinen Koffer aus dem Schließfach zu bekommen.

Mit mäßigem Erfolg, da das neue Jahrtausend verlangt, daß man nicht einfach einen Schlüssel in ein Schloss versenkt, ihn dreht , eine Tür öffnet und seinen Koffer aus dem Fach nimmt. Nein, man muß vorher an dem richtigen Terminal stehen und die Karte (richtigherum) in den dafür vorgesehenen Schlitz führen, um dann von dem Programm gesagt zu bekommen, in welchem Fach der Koffer erscheint. Macht man hier irgend etwas falsch, ist es um einen geschehen. Die Chipkarte ward gefressen und noch 12 Minuten bis zur Abfahrt des ICE, der dieses Mal ausnahmsweise nicht zu spät kommen wird.

Die herbeigerufenen Bahnbeamten, die nach der Privatisierung des Unternehmen keinesfalls schneller geworden sind, öffneten jedoch gerade noch rechtzeitig, natürlich erst nach einer exakten Beschreibung des Fachinhalts („schwarzer Koffer“) den vermeintlich richtigen Safe und nicht genannter Teilnehmer konnte noch rechtzeitig zum 11. Forum eintreffen, was wir von ihm nicht unbedingt erwartet hätten.

In den letzten Jahren reisen immer mehr Forumsmitglieder (im Folgenden„Tombs“ genannt) mit der Bahn zum Forum. Nicht etwa wegen der Bequemlichkeit. So alt sind wir dann doch noch nicht. Wer fährt zurück?, ist natürlich die Frage nach 3 Tagen Kurspülung mit Hopfen-Malzwässerchen. Aber das nur nebenbei.

Nun - es gibt ein ungeschriebenes Gesetz, das für den Ankunftsabend gilt: Jeder muss kurz zusammenfassen, was bei ihm im vergangenen Jahr an wichtigen Dingen passierte.

Um dem nicht vorwegzugreifen, sitzt man also zu fünft total verschwiegen im Abteil und starrt an die Decke.

Nein, nein - jetzt mal im Ernst. Es ist wirklich nicht so einfach, ein Thema zu finden, weil man natürlich geneigt ist, genau jenes anzusprechen, das abends die Runde machen soll.
So entsteht ein gewisser Druck der Verbalisierung verbotener Themen, der dann allerdings, rhetorisch geschickt, in Bahnen kanalisiert wird, die o.g. Themen vermeiden. Da heißt es dann z.B.: Wie geht es deinen Nachbarn, oder: Was denkst du über die Stabilität deiner Rente bis hin zu: Was für ein phantastisches Wetter.

Sei's drum. Die Fahrt ging, begleitet von sehr wenig Alkohol (ein bis zwei Dosen Bier) ziemlich lustig vorüber.
Nachdem wir also die Fahrt mit der Bahn relativ stressfrei, nein - stresslos, hinter uns gebracht hatten, (wir mussten immerhin 3mal umsteigen) fehlte nur noch ein kleines Stück mit dem Bus. Doch so entspannt schien die Atmosphäre dann doch nicht gewesen zu sein.
Ungefähr die Hälfte der fünf Tombs (also ca. 2,5) waren sich nicht sicher, ob wir an dem richtigen Bussteig stehen. Nach dem Computerausdruck der Deutschen Bahn AG befinden wir uns zwar am richtigen Ort zur fast richtigen Zeit, doch benötigt man niemals 3 Minuten vom Bahnsteig bis zur Bushaltestelle. Dafür sind wir, wie vielleicht schon erwähnt, noch zu jung; denn von nämlichem Bahnsteig bis zur erwähnten Bushaltestelle ist es höchstens 1 Minute ( auch wenn man am hintersten Ende des Zuges ausgestiegen wäre).
Folglich stehen wir (nach Meinung von ca. 50 % der Anwesenden) an der falschen Stelle, sprich 2 Minuten entfernt von der richtigen Haltestelle, auch wenn auf dem Schild zu lesen steht, was wir gesucht haben: Bus 71.
Unruhe macht sich breit. Erste Theorien besagen, dass das Schild falsch stehen muss. Andere behaupten, daß wir in der falschen Richtung stehen und der gegenüberliegende Bahnsteig der Richtige ist. Nur dummerweise ist dieser nicht 2 Minuten entfernt.
Was also tun? Natürlich das, was die Tombs in einer unsicheren Situation immer machen.

Erst mal ne Runde Bier in der Wirtschaft visa vi bestellen und den Rest auf sich zukommen lassen.
Letztendlich war das die genau richtige Entscheidung, denn der Bus hielt pünktlich an genau der angegebenen Stelle und fuhr pünktlich an die genau vorgesehene Stelle, nämlich uns in den Ort Langenberg, in dem, wie schon erwähnt, nach unserer Abreise nichts mehr so sein wird, wie es einmal war.
Bis auf unseren Gastgeber, den Leiter des Hotels, der sich an alles anpassen kann, sogar an uns. Es ist nicht vorstellbar, dass er nicht auch in Zukunft aus den Worten „kein Problem“, „jawoohl“,„ist aus“ und„sooo“ bestehen wird.

Nach geglückter Ankunft der Bahn- und Busreisenden und zwanglosem einchecken (permanent begleitet von den Worten „kein Problem“, „jawoohl“ und„sooo“ („ist aus“ kam erst beim Frühstück dazu)) warteten wir bei herrlichem Spätsommerwetter auf der Terrasse des gegenüberliegenden Gasthofes auf den Veranstalter, der - welch Frevel - zu spät kam. Ein Fauxpas, der diesem Veranstalter nicht noch einmal passieren sollte. Die Folgen für ihn und seine direkten und indirekten Verwandten wären äußerst unangenehm.

Irgenwann waren wir dann doch einmal vollständig und erzählten brav unsere Geschichte, wie sich das letzte Jahr so ungefähr gestaltet hatte. Der eine etwas länger, der andere kürzer. Jedenfalls wird dieser Abend traditionell von viel Bier begleitet, denn die Freude über das Wiedersehen findet kein Ende und die Letzten verseumen es nicht, sich noch für ein oder zwei Bier zum Absacker oder Scheidebecher im größten Zimmer unserer Absteige wiederzufinden, auch wenn dort schon einer schlafen sollte. Das hatte sich dann, mit einer Ausnahme, erledigt.

Jedenfalls fanden sich dennoch alle pünktlich zum 1. Vortrag am Freitag Morgen, mehr oder weniger angeschlagen, im Konferenzraum wieder. Einer der Tombs, dessen Name auch hier aus Gründen der Fairness, oder weil er der CDU was gespendet hat, verschwiegen wird, hatte noch Schwierigkeiten mit seiner Orientierung: So ein Overheadprojektor verlangt zwar von niemandem, dass er sich auf den Kopf stellen muss, wenn er was lesen können möchte, aber er projiziert das Bild eben auch nicht direkt dorthin, wo er es hergeholt hat (wär ja auch totaler Quatsch). Nein, er wirf es an die Wand, weit weg. Zu weit weg für einen der Tombs. Der wollte lieber direkt auf die Folie schauen.

Nach einigen intensiven Stunden der Konzentration - auf die Vorträge soll an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden - gibt es in der Regel eine Unterbrechung zwecks Mittagessen. Am späten Nachmittag folgt dann meist ein Spaziergang oder eine Führung durch den Ort. Abends ist nicht selten eine Kegelbahn angemietet, um den geistigen Anstrengungen körperliche folgen zu lassen und auf diese Weise, ganz im Sinne von Jing und Jang, das Gleichgewicht zwischen beiden wiederherzustellen. Dabei wurden phantasievolle Namen an besonders interessante Kegler vergeben. Einer der immer 5 Kegel traf, wenn es nur ein Kegel werden sollte („Nr. 5“) und ein anderer, der immer einen Kegel traf, wenn er alle Neune treffen wollte („Nr. 1“).

Selbstverständlich wiederholte sich das abendliche Prozedere auch Freitag Nacht und auch am Samstag Morgen sind alle Tombs wieder topfit im Vortragsraum (Diesmal hat er sich gleich richtig hingesetzt). Mit den schon erwähnten Unterbrechungen enden am nachmittag die Vorträge und man kann sich endlich entspannen. Der letzte Abend miteinander wird natürlich dazu genutzt, kräftig zu feiern und sich auf das nächste Forum zu freuen, denn auf bewährte Traditionen wird gern zurückgegriffen. Das beweist die Antwort, die einer der Tombs auf die Frage einer sehr schönen Bedienung beim Italiener, „Was möchten Sie trinken?“, gab:




So geht mal wieder ein wunderschönes Forum zu Ende. Mögen Diesem noch viele Dutzend folgen!




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